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Berta vergiss das Gänslein nicht
 
Bei Schröders war so etwas wie Krach - und das am Morgen des Heiligen Abends. Wilhelm, der Hausvater. sah ,dass Frau Berta noch rasch zur Stadt wollte, die letzten Dinge zu kaufen, sei es ein Spielzeug für die Kinder oder einen Schlips für Onkel Paul, den ewigen Junggesellen. Es ist ein Schicksal aller Junggesellen zu Weihnachten einen Schlips zu bekommen. Wilhelm gab indessen seiner Frau noch einige Ermahnungen mit auf den Weg: "Und vergiss die Gans nicht, Berta! Vergangenes Jahr saßen wir ohne Gans da und aßen am Heiligen Abend Quark! Brrrr!" Darüber entzündete sich Bertas Groll: "Ich brauche deine Ermahnungen nicht. Sicherlich brauchst du sie, niemand ist so vergesslich wie du! Ich bin nicht vergesslich, Wilhelm. Ich habe allenfalls mal etwas übersehen." Her und hin, es rauchte. Man hörte eine Tür knallen, bald noch eine zweite. Dann scholl Herrn Schröders Stimme mit gurgelndem Spott durch den Vorgarten und hinter der entfliehenden her: "Auf Wieder sehen mein Herzblatt, und vergiss das Gänslein nicht, Bertachen!" Sie tat so als wäre sie taub. Ihre Wangen glommen wie Tomaten. ihre Schritte trippelten, der kleine Mund murmelte vor sich hin "Holzkopf du!" Als Berta in den Bus stieg, konnte sich der Schaffner beim Knipsen der Karte nicht der höflichen Äußerung enthalten: "Werte Frau, bei Huckendubels am Steintor gibt es die schönsten Gänse! "Frau Schröder zweifelte, ob die keineswegs erbetene Auskunft an sie gerichtet war. Als sie aber in der Bismarckstraße den Bus verließ, wurde sie vom unentrinnbaren Trillerpfiff des Verkehrspolizisten zum Innehalten gezwungen. Der Beamte hob drohend den Finger: "Langsam, Madameken, bei jrün dürfense erst, und dann vajessense ja nicht die Gans, sonst schimpft der Olle!" Diesmal zweifelte Berta nicht. Entweder hatte Wilhelm die ganze Stadt verhext, oder es wimmelte heute von Gedankenlesern im Bezirk der Kaufhäuser und strudelnden Passanten. Plötzlich fühlte sie die Hand einer offenbar barmherzigen Bürgerin auf der Schulter. Die Dame sprach: "Junge Frau, nicht wahr, sie denken ja an die Gans? Ich meine es gut mit Ihnen. Wann immer man Misshelligkeiten in der Familie vermeiden kann, soll man es tun. Zumal am Heiligen Abend." Berta schüttelte die fremde Hand vom Mantel, blieb die Antwort schuldig und beeilte sich dem Gedränge zu entkommen, das ihr so unheimlich zusetzte. Sie lief - fast war es ein Rennen - von einem Laden zum anderen, kaufte das Spielzeug für die Kinder, erstand den lila Schlips für Onkel Paul, stolperte in die Geflügelhalle, nahm die erstbeste Gans und meinte zu träumen, als ihr der Kassierer beim Bezahlen zulächelte: "Nicht wahr, gnädige Frau, jetzt kann ich wohl den Zettel entfernen, den Ihnen der offenbar humorvolle Gatte auf den Rücken steckte? - Wollen Sie die Nadel wieder mitnehmen?" Doch Berta war schon draußen. 

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